Was sind eigentlich OER?

Als Open Educational Resources (OER) bezeichnet man in der Regel Bildungsinhalte, die unter freien Lizenzen (oft Creative Commons (CC) Lizenzen) stehen oder als gemeinfrei gekennzeichnet sind. 

Erstmalig wurde der Begriff 2002 durch die UNESCO in einem Forum zur höheren Bildung in Entwicklungsländern aufgegriffen (UNESCO, 2002: 24). Als grundlegende Bestandteile von OER werden ein freier Zugriff, die Möglichkeit zur Adaption und die Verbreitung über das Internet festgehalten (ebd.). Damit Lehr- und Lernmaterialien unter diesen Bedingungen verbreitet werden können, versucht die Forschung die Offenheit von Ressourcen, also den Term Open, genauer zu definieren: Wiley formuliert hierzu die 5R-Rules, welche die meistgebrauchte praxisorientierte Definition darstellt (Wiley, Bliss & McEwen, 2014: 782; Wiley & Hilton, 2018: 134-135). Im Deutschen werden diese als die 5V-Regeln übersetzt (siehe 5V Grafik).

OER müssen zunächst verwahrt und vervielfältigt werden dürfen. Lehrkräfte haben nach dem Urhebergesetz (“UrhG”) § 60a Absatz 1 und 2 zwar diverse Möglichkeiten, geschützte Materialien zu Lehrzwecken zu nutzen, sind hierbei aber auf ihre Bildungseinrichtung beschränkt. Die Materialien dürfen also nur den eigenen Schüler:innen, Lehrkräften der gleichen Schule, Prüfenden oder Unterrichtsbeobachter:innen verfügbar gemacht werden. Eine Veröffentlichung ist daher nicht erlaubt.
Unter den gleichen Voraussetzungen begründet sich die zweite Regel des Verwendens. Auch wenn Lehrkräften durch das UrhG viele Freiheiten eingeräumt werden, sollen OER vollständig und auch in anderen Kontexten genutzt werden können.
Das dritte V fordert die Möglichkeit zum Verarbeiten der Ressource. Das UrhG erlaubt nach § 23 keine Weiterverarbeitung von geschützten Werken ohne die Zustimmung des Urhebers. Eine solche Zustimmung liegt durch CC-Lizenzen (außer die Lizenz beinhaltet die Bezeichnung ND für „non-derivative“ = keine Veränderungen zugelassen) und bei als gemeinfrei gekennzeichneten Produkten vor. Diese Erlaubnis ist gerade deshalb wichtig, da es nötig sein kann, OER in andere Sprachen zu übersetzen, sie zu korrigieren oder sie an die eigenen Unterrichtsinhalte anzupassen.
Als viertes sollen OER vermischt werden dürfen. Hier geht es zum einen darum, das Material mit anderen OER zu verbinden und inhaltlich zu ergänzen, um so gezielter Lernarrangements zu schaffen. Zum anderen birgt das Vermischen die Chance auf Entstehung gänzlich neuer Ressourcen, die durch eine erneute Veröffentlichung den inhärenten Kern einer OER-enabled pedagogy darstellt, wie Wiley und Hilton (2018) sie vorschlagen: Materialien sind frei und erreichen viele Lernende und Lehrende.  Dies gilt vor allem als erreicht in Kombination mit dem letzten V, der sog. …
Verbreitung. Sie ist der Grundgedanke von OER, denn die Ressourcen sollen im originalen und auch im veränderten Zustand geteilt und verbreitet werden dürfen, um möglichst viele Menschen erreichen zu können.
Wenn diese Anforderungen erfüllt sind, können Lehr- und Lernmaterialien als OER bezeichnet werden. Sie können unabhängig von Bildungsstätten, also sowohl in formellen als in informellen Bildungskontexten, genutzt werden wie auch zum eigenständigen Lernen genutzt. Sie können Schüler:innen ansprechen, ebenso aber auch Studierende, Arbeitende, Auszubildende, Lehrende an diversen Institutionen oder Lerninteressierte. Bildung soll durch OER allen zugänglich und ermöglicht werden.

Um Lernressourcen möglichst offen einsetzen zu können, ist es notwendig, sich mit Lizenzierungen derselben auseinanderzusetzen. Jedem ist sicher schon einmal das Copyright-Zeichen (©) über den Weg gelaufen. Dieses weist Verbraucher darauf hin, dass das Recht an einem Symbol, Foto, Wort, Produkt bzw. allgemein an Werken, denen Arbeit und Kreativität zugrunde liegen, bei einer juristischen Person liegt. Jedoch muss man etwas, das man geschaffen hat, nicht erst durch komplexe und kostenintensive Prozesse schützen. In Deutschland gibt es das sog. Urhebergesetz (UrhG). Hier heißt es in § 1: „Die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst genießen für ihre Werke Schutz“. Auch wenn die meisten Leute ihre Urlaubsfotos zunächst nicht als ‚Werke der Kunst‘ bezeichnen würden, so schließt dieses Gesetz jede „persönliche geistige Schöpfung[en]“ (§ 2, Absatz 2) mit ein. Wenn also Fotos gemacht werden, haben Fotograf:innen die Rechte daran. Sie können es also auch veröffentlichen. Andere dürfen das Foto dann zunächst nicht weiterverbreiten, außer sie bekämen die Zustimmung Der Rechtsinhaber:innen (§ 31). Da OER aber für die Allgemeinheit zugänglich und nutzbar sein sollen, braucht es Lizenzen, die möglichst die 5-R Regeln (s.o.) erfüllen. Hierfür bieten verschiedene sog. freie oder offene Lizenzen Möglichkeiten:
Am verbreitetsten sind hier Creative Commons (CC) Lizenzen (https://creativecommons.org). CC-Lizenzen können kostenfrei und schnell auf der entsprechenden Website erstellt werden. Hierfür kann man entweder die Inhalte und Möglichkeiten der einzelnen Lizenzen nachlesen oder ein Online-Tool nutzen, welches anhand einiger Fragen die geeignete Lizenz für die intendierte Nutzung bzw. Freigabe vorschlägt. Diese Lizenz muss einmalig erstellt werden und verliert nicht an Gültigkeit. Insgesamt gibt es sieben CC-Lizenzen, die als unterschiedlich offen gelten. Ganz einig darüber an welchem Punkt das open in OER nicht mehr gegeben ist, ist man sich nicht. Man kann seine Lizenz jedoch an den bereits erwähnten Freiheiten testen (siehe „Die 5V-Freiheiten“). CC0 ist eine Lizenz, die ein Produkt als sog. Public Domain, also gemeinfrei, kennzeichnet. Es darf dann ohne Bedingungen weiter genutzt werden. Folgend stufen sich die möglichen Freiheiten ab. CC-BY bietet dieselben Weiterverarbeitungsmöglichkeiten, verlangt jedoch, dass Urheber:innen genannt werden. Die weiteren Lizenzen schränken die Weiterverarbeitung graduell zunehmend ein. CC BY-SA (SAme licence) verlangt z.B., dass, sofern das ursprüngliche Produkt unter dieser Lizenz verändert und veröffentlich wird, das neue Produkt zwingend unter derselben Lizenz geteilt werden muss; CC BY-NC verbietet das kommerzielle Weiternutzen (NonCommercial); und CC BY-ND verbietet das Verändern des Produktes, es darf nur im Originalzustand weiterverbreitet werden (No Derivatives). Zwei weitere Lizenzen kombinieren die oben genannten Einschränkungen, der Sinn zeigt sich entsprechend: CC BY-NC-SA und CC BY-NC-ND.

Warum sind OER zukunftsweisend für den Unterricht?

Open Educational Resources (kurz OER) sind wichtiger Bestandteil moderner Bildung. Durch ihren gezielten Einsatz im Englischunterricht können traditionelle Lehr- und Lernsettings neu gedacht und Innovationen angeregt werden. Sie brechen die herkömmliche Linearität von Erstellung, Verbreitung und Nutzung von Unterrichtsmaterialien auf und bieten so vielmehr eine Öffnung von Lehr- und Lernprozessen auf vielfältige Weise.

OER ermöglichen den niedrigschwelligen Zugang zu alternativen, digital gestützten Unterrichtsmaterialien mit potenziell breiterer inhaltlicher Diversität im Vergleich zu traditionellen Lehrwerken. Im Hinblick auf die Digitalisierung und die damit verbundenen Herausforderungen schaffen OER eine neue Lehr-Lerninfrastruktur, indem zeitgemäße Unterrichtsmaterialien im Sinne der Bildungsgerechtigkeit weitreichend zugänglich und adaptierbar gemacht werden. Lehrkräfte wie auch Lernende können dabei nicht nur die Rolle der Nutzenden einnehmen, sondern aktiv und kollaborativ Materialien und Produkte gemeinfrei veröffentlichen und zur Nutzung und Adaption freigeben. In diesem Zusammenhang sind die Five Freedoms of OER, federführend entwickelt durch David Wiley (2014), kennzeichnend.

Diese neuen Möglichkeiten zur Partizipation durch OER sind sowohl für Lernende als auch für Lehrende von Bedeutung: Die Auseinandersetzung mit OER und die damit verbundene Nutzung, Prüfung und Adaption fremd erstellten Materials stellt eine wichtige Schlüsselkompetenz im Rahmen der Professionalisierung von Lehrkräften dar und fördert den fachlichen Austausch unter Lehrkräften über die Grenzen der eigenen Schule hinweg. Insbesondere für Schüler:innen sind OER mit Blick auf die wachsende Bedeutung von Medienkompetenzen zentral. Für sie bieten OER u.a. neue, digital gestützte Aufgabenformate, die es im Sinne der Medienkompetenz zu nutzen und kritisch zu evaluieren gilt. Überdies können OER eine tragende Rolle in der Leistungsdifferenzierung einnehmen, da Schüler:innen mit ihnen außerhalb formeller Lernräume die Möglichkeit haben, ihr Recht auf Bildung ihren eigenen Bedürfnissen angepasst auszuüben.